Frühere Jüdische Gemeinde Wankheim

Sofie Löwensteins Enkel Arie Löwenstein (Sohn von Walter Löwenstein) und seine Ehefrau Anita Löwenstein im Jahr 2009 in Wankheim am Gedenkstein für die ermordeten Opfer der ehemaligen Tübinger Jüdischen Gemeinde auf dem Jüdischen Friedhof

Eine jüdische Gemeinde existierte in Wankheim von 1775-1882:

Seit 1760/65 gehörte Wankheim mit den zugehörigen Höfen Kressbach und Eckhof den Freiherrn von St. André.
Die neue Herrschaft derer von St. André gestattete es 1775 gegen die damals übliche Entrichtung von „Schutzgeld“
einigen jüdischen Familien, in Wankheim zu wohnen und von hier aus ihrem Broterwerb nachzugehen.
Die Familien lebten ursprünglich vom Handel mit Trödelwaren, später vom Handel mit Vieh,
Hopfenstangen („die …Israeliten  versorgten… die ganze Gegend mit Hopfenstangen“) und anderen Waren,
teilweise wohl auch durch Mitarbeit in der Landwirtschaft.

Ab der mit der Bürgerlichen Gleichstellung ermöglichten Freizügigkeit verzogen 1850/1860 mehrere Familien in umliegende Städte (vor allem nach Tübingen, aber auch Reutlingen, Nürtingen, Stuttgart).
Im Mai 1882 wurde dann von der „Israelitischen Oberkirchenbehörde“ beschlossen, den Sitz der die Wohnorte Wankheim, Reutlingen und Tübingen umfassenden Jüdischen Gemeinde nach Tübingen zu verlegen.

Es war ein Zeitraum von ca. 100 Jahren, in welchem im Dorf Wankheim eine christliche Gemeinde und eine jüdische Gemeinde koexistierten.

Die Geschichte der Wankheimer Jüdischen Gemeinde ist dokumentiert, zB
https://www.jüdische-gemeinden.de/index.php/gemeinden/u-z/2284-wankheim-baden-wuerttemberg

 

Eine Synagoge existierte in Wankheim von 1835 bis 1883:

Zunächst fand sich ein vorläufiger Betsaal in einem der gemieteten „Judenhäuser“.
Später ab 1835 gelingt es mit viel Einsatz, eine Synagoge zu erbauen (feierliche Einweihung am 15. Oktober 1835, dem letzten Tag des Laubhüttenfestes).
Abbildungen sind nicht bekannt, die Kreisbeschreibung von 1867 beschreibt das Gebäude als „in einfachem Rundbogenstil aus Holz errichtet.“
Der Standort der Synagoge war auf dem Grundstück zwischen den heutigen Häusern Heerstraße Nr 1 (abgerissen) und Nr. 7.  

Durch den Beschluß der Verlegung des Gemeindesitzes von Wankheim nach Tübingen (s.o.) wird zugleich beschlossen und genehmigt, dort in Tübingen eine neue Synagoge zu bauen. Nach dem feierlichem Abschiedsgottesdienst am Schabbat, 8. April 1983 kommt es zum Abbruch der Wankheimer Synagoge mit Wiederverwendung des Abbruchmaterials im Neubau in der Tübinger Gartenstraße.


Die Geschichte der Tübinger Synagoge ist dokumentiert, z.B.

 

Zur Tübinger Geschichtswerkstatt siehe auch

 

Weiteres zum Gemeindeleben der Jüdischen Gemeinde

Es gab in Wankheim eine Religionsschule (seit 1827, später aufgelöst), eine Mikwe/ rituelles Bad (Standort nicht bekannt).
Nach den Quellen war im 19. Jahrhundert zeitweise ein Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet, also religiös tätig war. 1832 wurde die Gemeinde dem Bezirksrabbinat Mühringen zugeteilt.
Literatur zu Jüdischen Landgemeinden:

 

Schicksale ehemaliger Wankheimer Einwohner jüdischen Glaubens

Von den in Wankheim geborenen jüdischen Personen sind mindestens vier Menschen in der NS-Zeit ermordet worden:

die drei Schwestern

  • Lina Bloch geb. Liebmann
    (geb. 1876 in Wankheim,1944 Auschwitz  für tot erklärt)
  • Julia Krämer geb. Liebmann
    (geb. 1877 in Wankheim, im KZ ermordet)
  • Sofie Löwenstein geb. Liebmann
    (geb. 1879 in Wankheim, 1944 Auschwitz, für tot erklärt) sowie
  • Salomon Spiro (geb. 1859 in Wankheim, 1942 Theresienstadt, dort 1943 umgekommen)

    (s.o. Foto von Sofie Löwensteins Enkel Arie Löwenstein (Sohn von Walter Löwenstein) und seiner Ehefrau Anita Löwenstein im Jahr 2009 in Wankheim am Gedenkstein für die ermordeten Opfer der ehemaligen Tübinger Jüdischen Gemeinde auf dem Jüdischen Friedhof

Das Schicksal von Max und Sofie Löwenstein ist dokumentiert, z.B.


Fritz Bauer- bekannter Nachfahre der ehemaligen Wankheimer jüdischen Familie Hirsch


Zum Schicksal ehemaliger Tübinger Einwohner jüdischen Glaubens

Das Schicksal Tübinger Bürgerinnen u. Bürger jüdischen Glaubens ist dokumentiert z.B.

Siehe auch folgende Angaben aus
www.alemannia-judaica.de/tuebingen_synagoge.htm

„Von den in Tübingen geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen
sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und
den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): 

Julie Babette Berger geb. Dessauer (1883), Lina Bloch geb. Liebmann (1876), Werner Dahl (1921),
Erich Dessauer (1887), Ernst Nathan Dessauer (1882), Walter Alexander Edel (1886),
Anne Erlanger geb. Dessauer (1883), Fritz Erlanger (1913), Terese Erlanger (1883),
Heinz Feigenheimer (1916), Margarete Frank geb. Dahl (1917), Arthur Hirsch (1886),
Elisabeth Klara Lammfromm (1869), Elsa Laupheimer geb. Katz (1880),
Kläre (Käte) Levi geb. Abel (1920), Cäcilie Lewinsohn (1880),
Rudolf (Raphael) Lewkowitz (1897),Ilse Löwenstein geb. Bloch (1914), Max Löwenstein (1874),
Sofia Löwenstein geb. Liebmann (1879), Blanda Marx geb. Schwarz (1878),
Marga Marx geb. Rosenfeld (1909), Ruth Marx (1933),Mina Mayer geb. Weil (1877),
Dr. Albert Pagel (1885), Charlotte Pagel (1894),Ilse Plotke geb. Levy (1915),
Philippine Reinauer (1860), Sofie Reinauer (1869),Charlotte Schemel geb. Pagel (1894),
Selma Schäfer geb. Seemann (1887), Julius Berthold Spier (1925),
Elfriede Spiro (1894), Hans Spiro (1898), Hermann Stettiner (1911),
Klara Wallensteiner geb. Reichenbach (1869), Carl Weil (1879), Sofia Weil geb. Mayer (1852),
Josef Wochenmark (1880), Bella Wochenmark geb. Freudenthal (1887),
Karl Wolff (1905), Alexius Ziegler (1911).

 

An die Opfer der Verfolgungszeit 1933 bis 1945 erinnert eine 1983 am Holzmarkt (Mauer zur Stiftskirchenseite) angebrachte Gedenktafel.
- Im Foyer der Neuen Aula der Universität in der Wilhelmstraße erinnert seit 1984 eine Gedenktafel an 11 ermordete ehemalige Tübinger Studenten, die in Verbindung mit dem Widerstandskreis des 20. Juli standen (darunter Dr. Fritz Elsas, vgl. Bad Cannstatt).
- Auf dem Wankheimer jüdischen Friedhof findet sich seit 1947 ein Gedenkstein mit den Namen von 14 ermordeten Tübinger Juden.“